Logistik neu gedacht: wie Lastenräder die Zustellung auf der letzten Meile revolutionieren

Allstedt, 27. Mai 2021: Der innerstädtische Lieferverkehr in deutschen Ballungszentren hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Zu diesem Ergebnis kommt auch die Studie „Veränderungen des gewerblichen Lieferverkehrs und dessen Auswirkungen auf die städtische Logistik“, die im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) erstellt wurde. Mit wachsender Sorge werden demnach von Anwohnern die teilweise massiven Auswirkungen der täglichen Lieferungen betrachtet und als störend empfunden. Andererseits ist die Versorgung einer Stadt mit Gütern essenziell für deren Bewohner und Wirtschaft. Von einer Zustellung frei Haus profitieren nicht nur Endkunden. Auch Händler müssen – mitunter täglich – Ware erhalten und diese weiterverkaufen. Hotels, Bäckereien und Gastronomiebetriebe zum Beispiel sind ohne den permanenten Bezug frischer Ware nicht überlebensfähig.

Neue Ansätze für innerstädtische Zustellungen

Um gewachsenen Anforderungen an die innerstädtische Belieferung gerecht zu werden, bedarf es einer Änderung der Zustelllogistik. Neue Technologien – zum Beispiel Transporttunnelsysteme, autonome Fahrzeuge, Zustellroboter oder Drohnen – befinden sich allerdings noch in der Entwicklungsphase. „Die Zustellung per Lastenrad ist dagegen heute schon eine bewährte Alternative. Sauber, sicher und leise lassen sich damit Waren auf der sogenannten letzten Meile zustellen – also dem Wegstück bis zur Haustür des Kunden“, sagt Raik Vollmann, Geschäftsführer der VSC Bike GmbH. Die letzte Meile sei oft eine Herausforderung für Logistiker, da mit geringen Sendungsmengen viele Einzelziele anzufahren sind. Die Fahrstrecken zwischen den Lieferstopps sind kurz und die Empfänger werden oft nicht angetroffen. Erschwerend kommt hinzu, dass das Preisgefüge dieser Dienstleistung eine hohe Produktivität fordert, um rentabel zu sein. Immer mehr Logistiker nutzen daher die Kombination aus der Belieferung eines Mikrodepots vor den Toren der Stadt durch ein größeres Fahrzeug und einem Lastenrad für die letzte Meile. „Cargobikes sind geradezu prädestiniert für viele Zustellstopps in kurzen Abständen“, erklärt Raik Vollmann.

Vorbild Aachen

Die Stadt Aachen ist Vorreiter in Sachen Zustellung per Lastenrad. Mit „smart emma“ wurde 2019 eine Online-Verkaufsplattform ins Leben gerufen, die die Vorteile dieses Lieferfahrzeugs konsequent nutzt. Kunden können hier bei verschiedenen lokalen Händlern online einen Warenkorb zusammenstellen. Die Auslieferung erfolgt per Elektrolastenrad. Selbst frisch gekühlte Ware kann zugestellt werden.

Lastenräder mit vielen Vorteilen unterwegs

Die Lieferung per Lastenrad bietet weitere Vorteile: Cargobikes sind klimafreundlich und nehmen wenig Verkehrsfläche in Anspruch. Die Suche nach separaten Abstellflächen entfällt – je nach Größe des Lastenrads – oft komplett. Fahrer können im Stau auf Radwege oder Abkürzungen ausweichen. Zudem kann das Rad oft direkt vor der Haustür geparkt werden. Auch Hinterhöfe sind für Zustellräder meist gut zu erreichen. „Insgesamt haben Betreiber und Fahrer von Lastenrädern in der Zustellung weniger Reibung mit anderen Verkehrsteilnehmern oder den Behörden“, fasst Raik Vollmann die Vorzüge zusammen. 

Radwege müssen weiter ausgebaut werden

Damit Lastenräder allerdings effektiv zum Erreichen der Klimaneutralität, einem erklärten Ziel der Bundesregierung, beitragen können, sind auch die Kommunen und Stadtplaner gefordert. Die Radwegeinfrastruktur passt in Deutschland vielerorts nicht zu dem gewachsenen Bedarf an Cargobikes. Nordeuropäische Städte wie Kopenhagen können hier als Vorbild dienen. Kaum irgendwo sonst wird der Fahrradverkehr so intensiv gefördert, wie in der dänischen Hauptstadt. Auf zentralen Verkehrsstraßen sind beispielsweise Radwege durch Bordsteinkanten klar von den Autospuren getrennt. In manchen Straßen wurde zudem die Ampelschaltung so verändert, dass die langsameren Teilnehmer, die mit rund 20 Stundenkilometern unterwegs sind, eine grüne Welle haben. Die schnelleren stehen dagegen öfter an der Ampel.

Ein Anfang ist auch in Deutschland gemacht. Die Bundesregierung bekennt sich mit einer Kaufprämie zum Lastenrad und bezuschusst dessen Anschaffung mit einer Förderung in Höhe von 25 Prozent des Preises – bis maximal 2.500 Euro.